Die Kunst des Kampfes
Die meisten Kampfkünste dienten ursprünglich der bloßen körperlichen Ertüchtigung und zur Selbstverteidigung gegen feindliche Angriffe und hatten keinen eigenen kriegerischen Aspekt. Aus der Beobachtung der Natur- und ihrer Lebewesen wurden unter Beachtung der erkannten (natürlichen) Gesetzmäßigkeiten Techniken und Systeme entwickelt, die primär defensiven Charakter hatten. Eine große Rolle spielte dabei immer die Kontrolle über die Lebensenergie (Qi, Chi, Ki, Prana). Die Ausrichtung von Körperhaltung und -struktur, der Ausgleich der Yin- und Yangenergien, die Übung rechter Atmung und Schaffung eines klaren Geistes wurden mithilfe unterschiedlichsten Bewegungs- und Meditationsformen in komplexe Übungssysteme integriert, die Jahrtausende überdauern sollten. Dem Aspekt der Selbstverteidigung, liegt dabei eine friedliche Haltung zugrunde, die alles tun wird, um einen Kampf zu vermeiden , wenn es nicht absolut notwendig ist. In der 1500 Jahre alten Shaolinkultur, die auch als Wiege der Kampfkunst gilt, war die Praxis der Kampfkunst (Kung Fu) stets eng mit der Praxis von Chan-Meditation verknüpft und diente von jeher einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung zu einem friedvollen und mitfühlenden Wesen hin.
Andere Kampfkünste wie zB Iai-Do, Ken-Do und Kyu-Do, haben sich aus der Kriegskunst im mittelalterlichen Japan (Bujutsu), heraus entwickelt. Die Krieger der damaligen Zeit (Samurai) mussten sich (neben ihren kriegerischen Kunstfertigkeiten) notgedrungen intensiv mit ihrer (natürlichen) Todesangst auseinandersetzen, um den Erfordernissen einer Schlacht oder eines Zweikampfes mit Mut begegnen zu können. Über die intensive, achtsame Einlassung in die Tiefen eines jeden Lebens-Momentes, übten sie sich (auch mit den Mitteln der schönen Künste) in einer (von Ängsten, Wünschen und Vorstellungen ) losgelösten Präsenz. Aus der Kraft des Lebens heraus erreichten Sie das Vermögen, dem Tod in einer Gleich-Gültigkeit gegenüberzutreten.
Sich heutzutage dem Übungsweg einer traditionellen Kampfkunst (Budo/ Wudao: „Der Weg den Kampf zu beenden“) zu verschreiben, verlangt von den Übenden zum Glück keine blutigen Auseinandersetzungen mehr, denn der eigentliche Kampf hat sich auf das innere Wesen des Menschen verlegt. Dennoch braucht es auch hier, im Bestreben um präzise Kunstfertigkeit, mentale Stärke und emotionale Ausgeglichenheit, den Mut zur Selbstkonfrontation, ein sehr hohes Maß an Selbstdisziplin und Lernbereitschaft kombiniert mit maximalem Bemühen. Man übt sich in Geduld und Entschlossenheit, entwickelt Ausdauer, Frustrationstoleranz, und Gelassenheit.
Jede und jeder ernsthaft Kampfkunst-Praktizierende weiß, aus Erfahrung am eigenen Leib, um die umfassend positiven Auswirkungen der steten Übung. Seit Jahrhunderten unterziehen sich Kampfkunstübende daher freiwillig, einer bewährten Methode der Selbsterziehung und Selbsthilfe, die sie auch im Alltag aufrichtet, und selbstkompetent ihr Leben gestalten lassen.
Passionierte KampfkünstlerInnen kennen und wertschätzen die Gesetzmäßigkeiten der Natur und passen sich diesen respektvoll an. Im Wissen um die unmittelbare Nähe von Leben und Tod, erfolgt eine sehr bewusste Auseinandersetzung mit (oft tödlichen)Kampftechniken.
Im Bewusstsein um die Gefährlichkeit von Kampf, wurde in allen traditionellen Kampfkunstsystemen, stets Wert auf die gleichzeitige Ausbildung einer aufrechten, ethisch-friedfertigen (inneren) Haltung ihrer SchülerInnen gelegt. Diese Besonderheit traditioneller Kampfkünste, fand ihren Niederschlag in teilweise kodifizierten Regel- und Wertekatalogen, kam und kommt aber auch in der Methodik- und Didaktik der unterschiedlichen Kampfkunst-Lehrsysteme zum Ausdruck.
Beiläufig entfaltet sich die Erfahrung der Kostbarkeit des Lebens. Wachsende Dankbarkeit und Mitgefühl für alle Lebewesen befrieden dabei das Herz. Die Seele findet Ruhe.